Stromnot

Strom ist ein merkwürdiger Saft. Wir sehen ihn nicht, wir riechen ihn nicht und doch ist er allgegenwärtig. In unseren Büros, in unseren Fabriken, in unseren Wohnungen und überall dort, wo wir unsere Maschinen, unsere Fernseher und Radios und natürlich vor allem unsere so heiß geliebten Smartphones, IPads und Notebooks betreiben. Der elektrische Strom ist – mal abgesehen von unseren Grundnahrungsmitteln – unser eigentliches Lebenselixier geworden, unser Garant für Komfort und Entlastung. Ohne diesen wundersamen Saft würde in unserer Welt – das ist sicher – so gut wie nichts mehr funktionieren – Um so verblüffender ist es, dass wir zumindest in vielen entwickelten Regionen der sog. “Ersten Welt” angefangen haben, zentrale Stromlieferanten systematisch abzuschalten und zu demontieren. Besonders waghalsig verfolgt unser eigenes Land diese Demontage und scheint – trotz aller Warnungen – ernsthaft gewillt, innerhalb weniger Jahre gleichzeitig aus Atomkraft und Kohleverstromung auszusteigen. Ist das Mut, Verzweiflung angesichts der drohenden “Klimawende”, Leichtfertigkeit oder gar Wahnsinn? Haben wir wirklich die notwendigen Alternativen oder tun wir nur so? „Stromnot“ weiterlesen

Wohin des Wegs, Uncle Sam?

In den letzten Tagen konnte man die Erleichterung quasi mit Händen greifen. Tiefes Durchatmen in den Machtzentralen diesseits und jenseits des Atlantiks und bei fast allen Kolumnisten: Yeah! Trump is over! Die Guten haben gesiegt. Der Springteufel ist wieder in der Kiste. Doch Achtung! Auch wenn Trump von nun an nicht mehr im Oval Office, sondern in seinem Golf-Resort den Schläger schwingt, sind die Gründe für seine Wahl nicht verschwunden. Und auch wenn sich neue Präsidenten gerne in das helle Licht des Neuanfangs tauchen, geht es leider oft nur um einen schalen Neuaufguss des Alten. – Dass sich die USA auch unter Joe Biden weiterhin auf dem Scheideweg befindet, dürfte niemand ernsthaft bestreiten. Die Frage ist nur, wohin geht die Reise? Zurück auf Los oder zu neuen Ufern? „Wohin des Wegs, Uncle Sam?“ weiterlesen

Lernen aus der Krise

Wir leben in fragilen Zeiten. Was früher entlang stabiler Traditionsketten vorherbestimmt schien, verliert am nebeligen Horizont von pulsierender Gegenwart und schwankender Zukunft zunehmend an Konturen. Spätestens seit Mitte der 80er Jahre liefert uns die moderne Soziologie für dieses Phänomen sogar einen passenden Begriff, nämlich den der “Risikogesellschaft”*. Individualisierung, Globalisierung und Digitalisierung lassen das Stehende verdampfen und setzen Entwicklungen in Gang, die mit zunehmender Entfernung zum Ausgangspunkt immer mehr Ungewißheit produzieren. Heruntergebrochen auf unsere unmittelbare Gegenwart drängen sich dabei gleich mehrere Fragen auf: Haben wir die Weichen in diesem Risikoumfeld richtig gestellt? Sind wir lernfähig genug, um einmal eingeschlagene Holzwege auch wieder zu verlassen? Oder haben wir den Rubikon bei den ganz großen Projekten nicht längst kilometerweit hinter uns gelassen? „Lernen aus der Krise“ weiterlesen

Brexit done

Das gesamte Wahlvolk in einem landesweiten Referendum exklusiv über eine zentrale politische Weichenstellung abstimmen zu lassen, ist urdemokratisch, aber ohne Zweifel auch riskant. Im Juni 2016 als die Briten sich zwischen “Remain” und “Leave” entscheiden konnten, war dieses Risiko nur den wenigsten Beobachtern wirklich bewußt. Was sollte da schon passieren, nach fast einem halben Jahrhundert EU-Mitgliedschaft? Angesichts eng geknüpfter Vertragsbeziehungen? Und in Anbetracht eines dichten Geflechts aus wechselseitigen Abhängigkeiten? Um so größer war der Schock, als es am 23. Juni 2016 doch anders kam und sich das Leave-Lager im Abstimmungskampf durchsetzte. „Brexit done“ weiterlesen

Funkstörung

Noch Anfang der 2010er Jahre hätte so gut wie jeder, den man gefragt hätte, reflexartig abgewunken: Was? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Legitimationsdruck? Das Dickschiff der deutschen Nachkriegsdemokratie in der Rechtfertigungsschleife? – Heute, wenige Jahre später, scheint alles anders. Nervosität in den Chefredaktionen. Kontroverse Gebührenerhöhungsdebatten in Landesparlamenten und auf medialen Foren. Intendanten, die sich für ihre üppigen Jahresgehälter und ihre weit überdurchschnittlichen Rentenansprüche rechtfertigen müssen. Und dazwischen immer wieder Kritik an wachsender Unausgewogenheit, programmatischer Einspurigkeit und problematischen Diskursschranken. – Was ist da los? Wie konnte es soweit kommen? Sind das nur Momentaufnahmen oder geht das ans Grundsätzliche? „Funkstörung“ weiterlesen

China first

“China boomt!”; “Die industrielle Produktion läuft auf Hochtouren!”; “Die Exporte erreichen neue Rekorde!” So oder so ähnlich hallt es in diesen Tagen stakkatoartig durch den Äther. Weltwirtschaftskrise? Globale Rezession? Ja! Vielleicht in Europa! Oder in Nordamerika! Aber im Reich der Mitte? Nein! Fehlanzeige! Im Gegenteil: Die chinesischen Exporteure kommen mit dem anschwellenden Nachfrageboom kaum zurecht. Müssen sich mächtig strecken, um die Kundenwünsche zu erfüllen und die Lockdown-geschädigte Konkurrenz aus Übersee zu ersetzen. – Aber halt? War da nicht was? Anfang 2020? Lebendtiermärkte mitten im Großstadtgewimmel? Fledermaus-Carpaccio aus Wuhan? Geisterstädte und leere Straßenschluchten. Chinesische Rettungskräfte mit Blaulicht im gespenstischen Vollschutz? Alles irgendwie nur noch Bilder aus der Konserve! Wie aus einem schlechten Film. Die neue Wahrheit sieht anders aus: Der chinesische Drache spreizt seine Schwingen, während Europa und die USA dabei sind ihr wirtschaftliches und soziales Leben erneut auf Shutdown-Niveau herunterzufahren. „China first“ weiterlesen

Aus Geschichte lernen

“Aus Erfahrung wird man klug!” Mit dieser alten Volksweisheit im Gepäck wandert Homo faber seit Generationen durch die Welt. Wunderbar geeignet als Selbstvergewisserungsformel für eine Gesellschaft unter permanenter Vertikalspannung, kommt uns dieser Satz immer wieder in Erinnerung. Fast wäre man geneigt, die Wendung als Universalformel für das menschliche Lernen schlechthin zu preisen. Wenn da nicht ihre etwas eindimensionale Praxislastigkeit wäre. Ihre einseitige Ausrichtung auf praktisches Üben und ihre Inkompatibilität mit innovativem Erfindergeist und jugendlicher Kreativität. Dass Fortschritt auch ohne Erfahrung-sammelnde Ochsentouren möglich ist, wissen wir seit langem. Noch enger wird das Anwendungsfeld, wenn man bedenkt, dass Erfahrung in der Regel individuell und bezogen auf ein Menschenleben “gesammelt” wird. Was ist, wenn wir das Lernen von großen Kollektiven, von Gesellschaften, von Völkern in den Fokus nehmen und den Blick über mehrere Generationen, ja Jahrhunderte hinweg, weiten? Geht das überhaupt: Lernen von den toten Vorvätern oder kollektives Üben am historischen Objekt? „Aus Geschichte lernen“ weiterlesen

Im Prognosedilemma

Unser Leben wäre so schön und so übersichtlich, wenn es die Ungewissenheit der Zukunft nicht gäbe. Wenn wir wüssten, was uns erwartet. Wenn wir die Welt von Morgen jederzeit hellsichtig enträtseln könnten. Was haben wir in der Vergangenheit nicht alles getan, um den Nebel des Vor-uns-Liegenden zu lichten? Wir haben Propheten engagiert, Sterndeuter befragt, Kartenleger und Hellseher konsultiert und vielerorts sogar in kristalline Glaskugeln geschaut. Immer mit dem Ziel, den tief verhangenen Horizont zu erhellen. Doch so oft wir uns bemühten, so oft scheiterten wir auch. Erst als die moderne, streng methodische Prognostik zu unserem bevorzugten Fernglas in die Zukunft wurde, schien plötzlich alles anders. Statt fragile Hellseherei, mathematisch fundiertes Extrapolieren. Statt Glaskugel oder Sternzeichen, Zukunftslabor und Big Data. – Doch halt! Können wir uns wirklich auf die moderne Prognose, auf ihre gewagten Extrapolationen verlassen? Können wir mit dem prognostischen Instrumentarium auch die Folgen externer Schocks “vorhersagen”? Und vor allem: Kann die zeitgenössische Prognostik unabhängig von politischen Erwartungen und gesellschaftlichen Stimmungen agieren? „Im Prognosedilemma“ weiterlesen

Pyrrhussiege

Nur wenige Geschichtsmetaphern wurden in den zurückliegenden Jahrhunderten so oft strapaziert, wie das Pyrrhus-Motiv: Kriegslüsterner Fürst fordert die römische Republik heraus, setzt aus Griechenland kommend nach Unteritalien über und siegt in offener Feldschlacht. Das Problem: Seine Siege sind derartig verlustreich, dass er schließlich vom eigenen Triumph aufgefressen wird. Die resignative Wendung des antiken Hellenen-Königs von wegen “Noch so ein Sieg und ich bin verloren!” hallt seitdem wellenförmig durch die Geschichtsbücher und gereicht immer wieder denen zur Mahnung, die vor lauter Triumphalismus den Blick für die Wirklichkeit verlieren. – Die Druckwellen rund um die US-Präsidentschaftswahlen, die aktuell über den großen Teich zu uns herüber wabern, sind wie gemalt für die alte Pyrrhus-Metapher: Verlierer, die sich zu Siegern erklären, vielstimmiges Triumph-Getöse, das lautes Pfeifen im dunklen Wald ersetzt und all das orchestral begleitet von wilden Schlachtrufen auf allen Kanälen. „Pyrrhussiege“ weiterlesen

Fin de Siècle

Als vergängliche Wesen unterliegen wir einem ehernen Bewegungsgesetz, bestehend aus Geburt, Werden, Altern und Tod. Dieser Vierklang prägt unser Dasein, ob wir es wollen oder nicht. Entscheidend ist die Art und Weise, wie wir die einzelnen Phasen unseres menschlichen Seins gewichten. Oder besser: wie wir unseren individuellen Standort in Zeit und Raum verorten. Das Kleinkind blickt anders auf die Welt als der Greis. Der Christ anders als der Hindu und der Darwinist anders als der Pazifist. Was uns jedoch alle eint, ist die Neigung,  die Wechselfälle unserer eigenen Existenz auf den großen historischen Zusammenhang zu projizieren. Geschichte, so der immer wiederkehrende Tenor, ist zyklisch. Kulturen werden geboren, wachsen, altern und sterben. Zivilisationen kommen “zur Welt”, erklimmen die Leiter hinauf zur Hochblüte, überschreiten ihren Zenit, fangen an zu verblühen und verschwinden manchmal über Nacht! –  Was soll uns das sagen? Ist das nicht abstrakte Geschichtsphilosophie? Wo sind da die Anknüpfungspunkte zu unserer Gegenwart? „Fin de Siècle“ weiterlesen